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Die Ampel gibt ein ziemlich schiefes Bild ab dieser Tage. Die Triade aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen fühlte sich am Anfang noch wie ein großer Aufbruch an. In der Tat wurden viele Gesetzesvorhaben umgesetzt und werden es noch. Und doch gibt es tiefe Gräben, die sich besonders in der Sozialpolitik, der Verkehrspolitik und der Energiepolitik bemerkbar machen.

Dass mit den Liberalen kein Tempo 100 durchzusetzen sein würde, war klar. Statt dessen einigte man sich auf das 49-Euro-Ticket für Bus und Bahn, das für viele immer noch zu teuer ist. Aber der Weg ist der Richtige: den Tarifdschungel zu beenden und die Verkehrsbetriebe besser aufeinander abzustimmen, also Anreize fürs Bus- und Bahnfahren zu schaffen. Die Bauministerin und der Verkehrsminister indes könnten beherztere Vorgaben machen, zum Beispiel was den Streckenausbau angeht. In der Sozialpolitik gab es ein bisschen Kosmetik: Hartz IV in "Bürgergeld" umzubenennen und ein wenig anzuheben, hebt die Probleme nicht auf. Der Fachkräftemangel in Deutschland wird inzwischen auf ca. 600.000 beziffert. Eine gezieltere Arbeitsmarktpolitik würde zum Beispiel Angebote machen, die Arbeitslose in sinnvolle Arbeit bringen statt mit Sanktionen zu drohen. Denn jeder bringt Fertigkeiten und Fähigkeiten mit, die gut einsetzbar wären.

Wie geht es weiter mit der Ampel? Die Interessenpolitik schwächt ihren Zusammenhalt. Und Olaf Scholz begnügt sich zu sehr damit, seine Mannschaft zu loben statt echte Führung zu zeigen.

Das liberale Credo eines Christian Lindner hat inzwischen auch Risse bekommen. Auf welch dünnem Eis er sich argumentativ bewegt, ist ihm selbst offenbar nicht klar. Natürlich geht es im Großen und Ganzen darum, die Stichworte Freiheit und Sicherheit miteinander zu kombinieren und in Einklang zu bekommen. Und das gilt schon sehr lange. Neu ist allerdings, dass die Liberalen seit langer Zeit mal wieder eine Regierung mitanführen. Zugleich sind sie fast schon die Sollbruchstelle der Koalition geworden. Dass selbst die Grünen dafür zu haben sind, Kohlekraftwerke noch länger laufen zu lassen, hätte kaum jemand für möglich gehalten. Man kann es ihnen kaum verdenken, dass ihr Lieblingsfeindbild der Atomenergiebetreiber nun der Vergangenheit angehört. Dafür ein paar Dreckschleudern weiterlaufen zu lassen - das war es ihnen offenbar wert. Das wirft allerdings die Frage auf, wie ernst es ihnen damit ist, die Pariser Klimaziele einzuhalten. Die meisten Experten gehen inzwischen davon aus, dass das kaum noch zu erreichen sein wird. Optimismus ist gefragt, wird aber immer schwerer durchzuhalten.

Dass die Bürger mehrheitlich skeptisch bis ablehnend sind was das Abschalten der Atommeiler betrifft, verwundert kaum. Denn an eine sichere Versorgungslage hatte sich jeder gewöhnt. Wenn man sich allerdings klar macht, dass der Atomstrom nur einen Anteil von 6% der Gesamtversorgung ausmacht, sieht das Bild schon wieder ganz anders aus. Realistischerweise kann man hoffen, dass der Anteil der Erneuerbaren diese Lücke schrittweise wird schließen können. Der Spagat besteht in der Tat darin, dies für alle auch bezahlbar zu machen. Die Sozialpolitik also entscheidet über den Erfolg der Ampelkoalition.