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Der Humor und die Satire: Die Soziologie des Lachens

 

In Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" geht es neben dem bunten und zuweilen unübersichtlichen Treiben spätmittelalterlicher Mönche in einem italienischen Benediktinerkloster nahe des Apennin und einer kurzen Liebesbeziehung zwischen dem Novizen Adson und einem bitterarmen Bauernmädchen vor allem um die Gefährlichkeit des Lachens. Der Bibliothekar Jorge hat ein handschriftliches Dokument über die Poetik des Aristoteles, in dem es um die Komödie geht, mit Gift versetzt, damit jeder, der es durchblättert, daran sterben möge. Der ehemalige Inquisitor William von Baskerville wird vom Abt eben jenes Klosters einberufen, um eine Serie mysteriöser Mordfälle aufzuklären, die sich während seiner Anwesenheit dort fortsetzen, bis das Kloster schließlich, einschließlich seiner wertvollen Bibliothek, in Flammen aufgeht und vollständig verbrennt.

Die Sturheit eines alten Mannes, der als Hüter des Kostbarsten, was das Kloster zu bieten hat, nämlich des reichen Fundus an Büchern, eine ungeahnte Macht besitzt, steht sinnbildlich für die Uneinsichtigkeit der Kirche gegenüber einem der ureigensten Charakteristika des Menschen: der Fähigkeit, Abstand zu sich selbst und seinem Verhalten durch Komik und Gelächter zu gewinnen, und sich dadurch von den meisten seiner nächsten Verwandten aus dem Reich der Säugetiere zu unterscheiden. Neben Reflexions- und Denkfähigkeit, Liebes- und Bindungsfähigkeit, Schrift und Sprache, Handlungs- bzw. Gestaltungsfähigkeit sowie Kunstfertigkeit und Phantasie kann die Fähigkeit zum Lachen als eines der wichtigsten Merkmale des Menschen bezeichnet werden. Dieses unter Verbot zu stellen bzw. mit dem Tod zu bedrohen oder zu bestrafen, gleicht einer Unterdrückung urmenschlichster Eigenschaften, auch wenn Humor und Lachen nicht unbedingt zu den überlebenswichtigen unter ihnen zählen mögen. Dieter Nuhr hat jedoch zurecht darauf hingewiesen, dass selbst in der Steinzeit Humor lebensrettend sein konnte: wenn eine Frau ihren Partner zum Beispiel durch die Bisse eines Säbelzahntigers verlor und dies anschliessend mit der nötigen Leichtigkeit erzählte ("Stellt Euch mal vor, was mir passiert ist!"), um sich dann dem nächsten Partner zuzuwenden, konnte Humor also durchaus auch Leben retten und fortsetzen. Übrigens sind selbige Umstände auch heute noch weit verbreitet.

Lachen befreit nicht nur, sondern gilt als gesund, entspannend und in jeder Hinsicht förderlich. Es setzt eine Vielzahl an Muskeln in Bewegung, aktiviert das Herz-Kreislauf-System und versetzt das Individuum in einen beschwingten Zustand, den es möglichst oft zu reproduzieren sucht, ob nun in Geselligkeit beim Witze erzählen, beim Lesen eines Buches, beim Schauen eines Films oder Theaterstücks oder beim Anblick von lustigen Alltagsszenen. Der Mensch ist zum Lachen geboren und erlangt diese Fähigkeit nicht zuletzt durch sein Reflexionsvermögen, das ihm die Komik bestimmter Situationen erst verdeutlicht und das ihn in die Lage versetzt, Widersprüche, Unlogik, Peinlichkeiten und Doppelsinnigkeiten zu durchschauen. Das laute Lachen eines Kindes angesichts des "Kaisers ohne Kleider", der vor lauter Eitelkeit und Geltungssucht nicht merkt, dass er nackt ist, steht sinnbildlich für das Durchbrechen der Ernsthaftigkeit und Verkrampfung der Masse, die nicht erkennt, welches Spiel gespielt wird.

Dieses zu begreifen, ist heute unter anderem die Rolle der Satiriker, Comedians und Kabarettisten, die es durch Wortwitz, schauspielerisches und komödiantisches Talent sowie Redegewandtheit verstehen, ihre Zuschauer durch Lachen zum Nachdenken über die herrschenden Zustände zu bewegen. Damit kommt ihnen ein Bildungsauftrag zu, den die Schulen und Universitäten nur unzureichend einzulösen vermögen, da es in ihnen viel stärker um Anpassung, Ausbildung  und Befähigung zur Berufsausübung geht, auch wenn auch dort viel und oft gelacht wird. Karikaturisten folgen diesem Auftrag ebenso, indem sie nicht nur durch das Wort, sondern vorrangig durch Bilder die humoreske Phantasie der Menschen anzuregen versuchen. In fast jeder Tageszeitung finden sich politische Karikaturen, die zuweilen besser als jeder Artikel oder Kommentar auf den Punkt bringen, worum es im jeweiligen Kontext geht. Zuletzt mussten Redakteure des französischen Satiremagazins „Charlie Hebdo“ am eigenen Leib erfahren, wohin es führen kann, wenn ihr Humor falsch verstanden, gar nicht verstanden oder schlichtweg abgelehnt wird: Humorlosigkeit als die Waffe von gewaltbereiten Fanatikern steht hier dem entwaffnenden Humor der Tiefsinnigen und Nachdenklichen gegenüber, die dazu bereit sind zu provozieren und mit ihrem Leben zu bezahlen, was andere mit Füßen treten und im wahrsten Sinne verteufeln.

Dabei hat der Humor eine ungeahnt lange Tradition, obwohl im menschlichen Gedächtnis vorrangig die Tragödie beispielsweise griechischer Provenienz Vorrang genießt. Auch der vielgelesene und -inszenierte William Shakespeare tat sich im kollektiven Gedächtnis seiner Leser eher durch Tragödien hervor. Ein Großteil der heutigen Sachbuchliteratur widmet sich lieber ernsthaften Themen und versucht, durch Ratgeber vielmehr die Ernsthaftigkeit zu beschwören als die Leichtigkeit und Tiefsinnigkeit des Humors oder der Komik. Dabei entstünden viele der Probleme der Menschen vermutlich gar nicht, wenn sie sich ihnen mehr mit Humor zu nähern verstünden. Dass diese Lücke durch die zahlreichen Comedians und Kabarettisten gefüllt wird, erklärt ihren Erfolg. Sie sind unser Ersatz für unseren eigenen Mangel an Humor im Alltag und im Umgang mit unseren Mitmenschen, denen wir eventuell zu unrecht unterstellen, sie verstünden keinen Spaß. Klar ist aber auch, dass vor allem die Comedians auch einen Beitrag dazu leisten, dass eine gewisse Politikverdrossenheit um sich greift, die nicht immer begründet ist.

Viele der Mißverständnisse, die aus falsch geführter Kommunikation entstehen, würden sich womöglich in Luft auflösen, wenn keine impliziten Unterstellungen oder Vorwegnahmen gemacht würden. Beispielhaft hierfür steht der Nachbar in Paul Watzlawicks "Anleitung zum Unglücklichsein", der sich lauter Ausreden seines Gegenübers einfallen lässt, warum dieser ihm keinen Hammer auszuborgen bereit scheint, bis besagter Nachbar schließlich wütend an die Tür des Gegenübers klopft und beim Öffnen derselben ausruft: "Dann behalten Sie doch Ihren verdammten Hammer!" und das Gegenüber nicht versteht, worum es eigentlich geht. Oft wird Humor erst durch Außenstehende verstanden. Das heißt zwei oder mehr Menschen, die in eine bestimmte Art von Interaktion oder Kommunikation miteinander verstrickt sind, begreifen bisweilen das Humoreske ihrer Situation nicht, bis andere sie ihnen klarzumachen versuchen. Manchmal gilt das Lachen aber auch als Ausdruck des Übertünchens von Peinlichkeiten, ein hysterisches Lachen auch einem unbewussten oder unterdrückten Gefühl und ein nervöses Lachen der eigenen Unzulänglichkeit. Lachen kann somit auch Ausdruck für etwas ganz anderes als Humor, ja geradezu für das Gegenteil dessen sein: Menschen möchten zuweilen ihr Verhalten und ihre wahren Gefühle kaschieren, weil sie ihnen unangenehm, peinlich, unpassend, nicht standesgemäß oder hinderlich sind. Das Lachen dient dann als Ventil, das nur Erleichterung verschafft oder eben dabei hilft, etwas anderes zu verbergen.

In vielen Situationen wird Lachen deshalb als unpassend empfunden, weil es pietätlos sein kann, wenn jemand beispielsweise von dem Tod eines Menschen, von seinen eigenen Leiden oder Problemchen oder von anderen als ernst oder wichtig eingestuften Dingen erzählt. Auch in so manchen gesellschaftlichen Runden ist Lachen eher verpönt, so zum Beispiel bei einer klassischen Beerdigung, und auch wenn man ein Klassikkonzert oder eine bestimmte Art von Theaterinszenierung oder Kinofilm besucht. In manchen Ländern gilt das Lachen im Kino allgemein als unhöflich den anderen Anwesenden gegenüber, die man dadurch stören könnte.

Welchen Stellenwert das Lachen genießt, hat auch kulturell bedingte Gründe. In Gesellschaften, die von vielen Tabus regiert und strukturiert werden, kann Lachen geradezu als Gegengewicht zur Ernsthaftigkeit und Verbotspraxis des Alltags empfunden werden. Gerade in solchen Gesellschaften wird deswegen entgegen der weitläufigen Annahme, sie seien humorloser als andere, viel gelacht. Dass das Witzeerzählen aber oft auch mit der Diskriminierung anderer zu tun hat, weiß man spätestens seit den Blondinen- und Ostfriesenwitzen, die in anderen Kulturkreisen eben andere Gruppen betreffen wie zum Beispiel die Lazen in der Türkei als Äquivalent zu den hiesigen Ostfriesen. Durch die Herabstufung anderer und deren Faux Pas oder vermeintlicher Unzulänglichkeiten versuchen Menschen sich selbst zu erhöhen bzw. sich selbst als überlegen darzustellen. Deshalb "dürfen" sie über andere lachen, während diese das Nachsehen haben. Oft ist es sogar so, dass das Verhalten dieser Gruppen gar nicht unzulänglich oder peinlich ist, sondern nur von gewissen anderen so empfunden wird, die damit aus welchen Gründen auch immer nicht klar kommen, eventuell deshalb, weil sie sich selbst sogar eher unterlegen fühlen, dies aber durch Humor zu kaschieren suchen. Der Humor hilft dann dabei etwas einzuordnen, was diese eigentlich gar nicht einzuordnen wissen.

Wahr ist aber auch, dass Humor manchmal nur die eine Seite der Medaille ist: die andere ist durch Verzweiflung, Trauer, Bitterkeit, Angst, Unverständnis, Unverstandensein oder gar Komplexen geprägt. Jemand, der andere um jeden Preis zum Lachen bringen will, wird oft als Klassenclown bezeichnet, weil ihm nur noch diese Rolle übrig blieb: der attraktive Sunnyboy war schon vergeben und der sportliche Basket- oder Fußballspieler hatte eine stattlichere Figur. Oft wiegt dann diese Art der besonderen Intelligenz, nämlich die Fähigkeit zur Ironie, zu feingeistigem Humor und zu Spitzfindigkeiten, ein bestehendes körperliches oder anderes Problem auf, das der Humorist eben zu verbergen sucht oder das er nicht weiter analyiseren möchte, sondern durch seine Art des Humors umschifft. Die Anderen sollen lieber über ihn lachen als ihn zu bemitleiden oder ihm helfen zu wollen. Humor ist hier das Gegenteil von zerfleischendem Selbstmitleid, das sich nicht anders zu helfen weiß, als sich und anderen etwas über die eigene Unzulänglichkeit vorzujammern. Wie vielschichtig Humor sein kann, wird also allein schon durch seine vielen Motivationen deutlich: Tabus durchbrechen oder erträglich machen, bilden, die Phantasie anregen, Komplexe kaschieren, unterhalten, zum Nachdenken bewegen, ablenken, Angst, Einsamkeit und Traurigkeit vertreiben, Gemeinschaft schaffen oder Dinge überhaupt erst kontextualisieren.

Dass Comedians und Kabarettisten hierzulande einen so ungeahnten Erfolg geniessen, könnte man zum einen damit erklären, dass die Deutschen über immens viel Humor verfügen (was ihnen im Ausland aufgrund mancher vermeintlich hervorstechender Eigenschaften wie Disziplin, Pünktlichkeit und Ordnungsliebe eher abgesprochen wird), zum anderen aber auch damit, dass sie vielleicht sonst nicht viel zu lachen haben, was dann ein solches Gegengewicht geradezu erfordert. Ob erst das Ei oder die Henne da war, bleibt dabei eine interessante Frage.

Die höchst subjektive Natur jeglichen Humors wird daran deutlich, dass nicht jeder über alles lachen kann und dass auch der Humor immer eine situative Komponente hat. Slapstick ist daraus entstanden, während auch der Erfolg der hiesigen Comedians, die sich gerne von politischen Kabarettisten abzugrenzen versuchen, ebenfalls aus den USA ("stand-up", was zunächst im wahrsten Sinne des Wortes dafür stand, für seine Rechte aufzustehen) stammt. Insofern ist anzunehmen, dass auch die amerikanische Gesellschaft über ein immenses Humorpotential aufgrund der Begebenheiten des kapitalistischen Konkurrenzdrucks, der ja originär den anglo-amerikanischen Ländern zugesprochen wird, verfügt. "Grand English humour", ob nun in der Variante Monty Pythons, der Dinner-For-One-Posse oder Mister Beans, hat Zuschauer und Konsumenten genauso erobern können wie in Breitengraden jenseits des Atlantiks Heinz Erhard, Loriot, Otto Waalkes, Emil aus der Schweiz und viele andere Komödianten. In den USA konnten Buster Keaton, Stan Laurel und Oliver Hardy und Charlie Chaplin große Erfolge feiern, bevor diese auch den europäischen Kontinent erreichten und hier - durch das Fernsehen vor allem - Verbreitung fanden.

Es bleibt eine Binsenwahrheit: das Leben und Arbeiten im Kapitalismus erfordert für viele Menschen diese Art des Ventils, das der Humor nunmal darstellt, ob er sexuell-anzüglich, primitiv, geschmacklos, überzogen, karrikiert, geistreich, sarkastisch, ironisch, polternd, bissig, schwarz, unter der Gürtellinie, makaber, sinnfrei, diskriminierend, herabwürdigend oder eben politisch pointenreich und feinfühlig darherkommt. Die Satire bleibt dabei mancherorts die Königsdisziplin und auch darin versucht man, sich in oft skurrilen Varianten vom Mundartdialekten bis hin zu Geschlechter- und Länderklischees gegenseitig zu überbieten. Mario Barth hat für sich zunächst vorrangig das Geschlechterklischee in Anspruch genommen und diese Klischeehaftigkeit des Volksmundes nun auf andere Bereiche wie die Verschwendung von Steuergeldern ausgeweitet. Hennes Bender sagte lange Zeit von sich, kein politisches Kabarett zu machen, bis ihn die vor etlichen Jahren gemachte Äußerung des CDU-Politikers Wolfgang Schäuble, den Aufenthalt in Terrorausbildungslagern künftig verbieten zu wollen, schockierte und er dies in die humoreske Verballhornung kleidete: "Ich wußte nicht, dass das erlaubt ist!" - womit er ein vielsagendes Licht auf die Rhetorik und die Methoden so mancher Politiker warf. Dabei gelingt es dem Ruhrpott-Comedian, immer nah am Volk zu sein und ihm aufs Maul zu schauen. Eckhard von Hirschhausen scheint dagegen der Liebling aller intellektuell etwas auf sich Haltenden und vermeintlich Anspruchsvolleren zu sein: ein Arzt, der uns auf die Schippe nimmt, gefällt vielen nicht zuletzt deshalb, weil der Arztberuf zu den anspruchsvollsten und eigentlich am wenigsten zum Lachen einladenden Tätigkeiten zählt. Wirklich? Denn oft lachen sich die Ärzte selbst über sich, ihre Patienten und deren unaufhörliche Wehwehchen scheckig. Anders könnten viele ihren Beruf wohlmöglich kaum ertragen, geschweige denn ausführen.

"Was nicht verboten ist, ist erlaubt", scheint mancher gerne zu glauben oder zu vertreten. "Erlaubt ist, was gefällt" passt demnach zur selben Denkweise. Und dass sich nicht alles verbieten lässt, was man gerne aus Vernunftgründen verbieten würde, und wie einem dabei das Lachen vergehen kann, durften Befürworter des Rauchverbots erfahren, die Morddrohungen durch Lobbyisten der Tabakindustrie bekamen, oder Feministinnen, die es als Abtreibungsbefürworterinnen bzw. des Rechts auf eigene Entscheidungsmöglichkeit der Frauen mit Pro-Life-Anhängern aus der Ärzteschaft, den Kirchen und den Parteien zu tun bekamen. Ursprung: wieder hauptsächlich die USA und Großbritannien, wobei die Verflechtungen so kompliziert sind, dass man kaum mehr Ländergrenzen ausmachen zu können scheint.

"Humor ist, wenn man trotzdem lacht" sollte daher die Devise aller Menschen bleiben, die aus leidvollen Erfahrungen oder wegen ihrer Intelligenz und ihres Durchblicks, den Weg des Lachens, zum Lachenbringens und des Humors - der im Englischen nicht zufällig wortgleich ist mit der eben oft genug sehr wechselhaften Laune - gewählt haben und verteidigen. Daraus ein großes Geschäft zu machen, ist denen ein Segen, für die Geld und Reichtum - auch wenn diese nur aus Papier, Metallen oder ideellen Werten bestehen - viel bedeuten. Wenn selbiges zur Last wird, besteht dann ja immer noch die Möglichkeit, sich eine eigene Insel zu kaufen ("Kai-Uwe" lässt grüßen) und zu sehen, ob die dortige erhoffte Anonymität einem besser bekommt als der Showbusiness oder der Drogensumpf, in den viele Künstler mit ganz wenigen Ausnahmen wohl oder übel geraten, weil sie dem Ruhm, dem Druck oder der Versuchung nicht widerstehen konnten.

Die bittere Kehrseite des Humors wurde zuletzt vor allem dann deutlich, als die Öffentlichkeit vom Tod eines der bekanntesten und erfolgreichsten Hollywood-Komiker erfuhr: Robin Williams wurde tot in seiner Villa aufgefunden und die Fans waren erschüttert, hatte er sie doch in so vielen Filmen zum Lachen gebracht. Dass auch Komiker unter Depressionen leiden können, ja oft gerade sie, können sich manche nicht vorstellen, weil sie glauben, diese Komiker seien auch privat stets lustig, gut aufgelegt und optimistisch.

Dass manche Scherze gerade das zum Ausdruck bringen, was man sich nicht traut, böse, argvoll oder vorwurfsvoll direkt zu sagen, dürfte deutlich sein: man kleidet es dann lieber in einen Scherz, damit das Gegenüber eventuell eher darüber lachen kann als einen Tobsuchtsanfall zu bekommen (was in manchen Fällen bisweilen vielleicht sogar parallel vorkommt). Humor ist somit eine so komplexe Angelegenheit, dass sie manchen bereits in ihren ersten Ansätzen überfordert: die Humorlosigkeit mancher Bürokraten und Beamten ist sprichwörtlich und wird gerne auch auf andere Berufsgruppen ausgeweitet. So spielen sich diese gegenseitig aus, um die Oberhand im Kampf um die Gunst des Volkes zu gewinnen. Dasselbe gilt, wer ein Kind zum Lachen bringt: er oder sie hat sein Herz gewonnen und gilt fortan als guter Mensch und Zeitgenosse.

Paul Panzer erzählt gerne von seinem Sohn Bolle. Unvergleichlich ist er darin, die Evolutionsgeschichte des Menschen humoristisch aufzuarbeiten. Das Beerenpflücken der Kinder in der Urzeit ist dabei genauso Gegenstand wie das Balzverhalten der Frauen gegenüber beispielsweise den begehrten Piloten. Dass vom weiblichen Geschlecht keine Eisverkäufer favorisiert werden, wie er gerne betont, liegt vermutlich an der Statusorientierung und der Assoziation des Berufs Pilot mit Abheben und Fliegen. Panzer nimmt auch gerne die Gepflogenheiten im Spielerparadies "Latz Wegatz" (Las Vegas) oder die US-amerikanischen Verrücktheiten auf die Schippe mit Hinweisen wie dem, dass im 26. Stock eines Hotels die Aufschrift zu finden ist "herunterspringen verboten".

Ralf Schmitz dagegen glänzt häufig mit slapstickartigen Einlagen und dem Alltagsgeschehen. Dabei legt er eine unvergleichliche Mimikperformance an den Tag und amüsiert seine Fans mit hohen Verwandlungskünsten. Rainald Grebe stimmt seine Zuschauer gerne mit Klavierbegleitung auf seine geistreichen Wortspiele und Parodien ein und nimmt dabei oft genug die Provinz auf die Schippe. Seine Wortgewaltigkeit ist bemerkenswert und wurde schon mit Preisen geehrt, unter anderem vom mindestens ebenso redegewandten Ruhrpotturgestein Jochen Malmsheimer.

Das klassische Politkabarett beherrscht Urban Priol mit Bravour, der häufig mit Frank-Markus Barwasser in "Neues aus der Anstalt" auftritt und am liebsten die Kanzlerin parodiert, die auch das Lieblingsobjekt von Florian Schröder ist. Frank-Markus Barwasser ist im Fernsehen auch als Erwin Pelzig ("Pelzig unterhält sich", "Pelzig hält sich") bekannt, wo er die deutsche Band Silbermond einmal fragte, ob sie so wie viele Punkbands oder solchen aus England, Australien oder Amerika auch gerne mal ein ganzes Hotelzimmer auseinandernehmen oder nicht etwa doch eher vor dem Verlassen noch einmal ordentlich durchwischen.

Dieter Nuhr hat für sich vorrangig das Thema der Religion, hier vor allem des Islamismus, entdeckt. Auf unvergleichlich spitzfindige Art deckt er die Humorlosigkeit, Engstirnigkeiten und Widersprüche der Islamisten auf. Dadurch klärt er auf und verweist darauf wie prekär und alles andere als selbstverständlich unsere freiheitliche Demokratie ist. In sein Kabarettprogramm lädt er gerne Kollegen wie Andreas Rebers, Ingo Appelt und Torsten Sträter ein und verhilft dem einen oder anderen Jungstar wie Enissa Amani zu einer Plattform. Diese wiederum hat aus der relativ tragischen Familiengeschichte mit einem Vater, der aus dem Iran ins deutsche Exil kam, eine Erfolgsstory gemacht: mit dem Klischee der aufgehübschten Tussi tritt sie auf, um Frauenklischees ins Humoreske zu wenden.

Olaf Schubert gibt gern den unbedarften Ossi im Pullunder und greift Alltägliches mit Wortwitz auf. Sein Kollege Hagen Rether sinniert mit Klavierbegleitung über die politischen Zustände und unsere Seelenverfassung im Selbstgespräch. Johann König ist ganz er selbst, wenn er mit Langsamkeit und Alltagsbeobachtungen das Lachen aus seinen Zuhörern herauskitzelt. Die Langsamkeit war lange Zeit ein Erkennungsmerkmal von Rüdiger Hoffmann, der als Paderborner die Provinz repräsentierte.

Die Kehrseite der Comedywelle ist vermutlich ihr Beitrag dazu, dass unsere Umgangsformen nicht gerade höflicher geworden sind, wobei der Höflichkeit stets auch eine Verlogenheit innewohnt, die die Comedy eben in ihrem Gewand des bissigen Humors aufzudecken geholfen hat. Ob das unser Zusammenleben erleichtert hat, muss jeder für sich selbst entscheiden. Sicher ist, dass der Humor für viele Comedians und Kabarettisten zu einem lukrativen Geschäft geworden ist, mit dem sich ganze Veranstaltungshallen und Säle füllen lassen, um die Menschen von ihrem Alltag oder schnöden Berufsleben, aber sicher auch von der heutzutage ins höchst Gefährliche abgedrifteten Politik abzulenken und zu erheitern.

Ob man nun eher über die weiblichen Comedians wie Cindy aus Marzahn, Lisa Fitz, Martina Brandl, die kaltschnäuzige Carolin Kebekus, die mittlerweile über ihre eigene Show verfügt, die in Kanada geborene Anke Engelke, die Bayerin Monika Gruber, Lisa Feller, Cordula Stratmann, die Türkin Idil Baydar alias Jilet Ayse oder Mirja Boes - um nur einige zu nennen - lachen kann oder lieber Ingo Appelt, Kaya Yanar, Max Giermann, Özcan Cosar oder Bülent Ceylan vorzieht, hat mit vielen subjektiven und höchst feinen Nuancen und Präferenzen zu tun. Klar ist, dass für jede Form des Humors etwas dabei ist: ob nun Schadenfreude oder Parodie, Politkabarett oder Slapstick. Die von Oliver Welke moderierte "heute-show", die geniale und kreative Ideen bringt, nimmt dabei für sich in Anspruch politisches Kabarett zu sein, kommt damit allerdings nicht an die Klasse eines Bruno Jonas, Dieter Hildebrandt oder Hanns-Dieter Hüsch früherer Zeiten heran. Und das, obwohl die in ihr auftretenden Stars wie Serdar Somuncu, Martina Hill oder Gernot Hassknecht zweifellos über großes Talent verfügen und sich richtig schön in Rage reden können. Auch Johann König, Rüdiger Hoffmann und Harald Schmidt können nachwievor Lachnummern verzeichnen, sind aber bedeutend weniger präsent als früher. Letzterer scheint sich komplett ins Privatleben verabschiedet zu haben, zumindest was die Auftritte im Fernsehen betrifft.

Nicht jeder nahm und nimmt seinen Anfang im Kölner Waschsalon "nightwash", aber sicher war und ist das eine Bühne für viele, die ihre ersten Schritte wagen wollten. Und selbstverständlich haben die alten Granden der Comedyszene bereits dafür gesorgt, dass genügend talentierter Nachwuchs nachrückt, wie man auch kürzlich wieder bei der Verleihung des Comedypreises für Jungcomedians verfolgen konnte. Das bisweilen auf geniale Art gespielte Phlegma von Vincent Pfäfflin hat ihm dabei mit seiner unvergleichlich langsamen Art geholfen, die Herzen der Zuschauer im Sturm zu erobern, während die anderen Talente wie Enissa Amani, bei der man sich schon fragt, welche Körperteile nicht operativ nachretouchiert sind, und Christiane Olivier, die nicht nur belgische Klischees parodiert, das Nachsehen hatten. Die unvergleichliche Hella von Sinnen (früher mit dem bereits verstorbenen Dirk Bach), die nicht nur oft genug für die Rechte von Homosexuellen eingetreten ist, sondern auch viel im Sinne der weiblichen Emanzipation geleistet hat, kann nach Tortenschlachtenshows mit Hugo Egon Balder nun wieder das Zepter in die Hand in "Der Klügere kippt nach" nehmen. Dass das Fernsehen keine reine Erziehungsanstalt ist, die eben oft genug auch zu Süchten und Abhängigkeiten verleitet, wissen die Macher solcher Sendungen natürlich nur zu gut, aber sie verdienen eben auch relativ gut daran. Wobei lobenswert erwähnt werden muss, dass ungemein viele für "gute Zwecke" auf die Bühne oder ins Fernsehen gehen und dort spenden, wo es oft am dringlichsten und nötigsten ist. Was aber auch stimmt ist, dass sich jeder, der über ein bisschen Wortwitz und Alltagsbeobachtungsgabe verfügt und das Spiel der Klischees beherrscht, Comedystar nennen kann, vorausgesetzt er oder sie findet ausreichend Publikum bzw. jemanden, der sie oder ihn protegiert. Dass der Anspruch dadurch eher gesunken ist, zeigt der Umstand, dass klassisches politisches Kabarett ins Hintertreffen geraten ist.

Zu nennen wären noch viele andere wie der legendäre Thomas Freitag (alias Willy Brandt, Helmut Schmidt und Franz-Josef Strauss), der bizarre Bastian Pastewka, der geniale Verwandlungskünstler Michael Kessler, der Gitarrenvirtuose Friedemann Weise, der Politprofi Volker Pispers, der Österreicher Werner Schneyder, der wendige und genial schauspielernde Mathias Riechling, der cool-lässige Michael Bully Herbig, der verschrobene Piet Klocke, der Erfolgreichste unter den Newcomern Ingmar Stadelmann, die Berliner Schnauze Kurt Krömer, der Wortakrobat Ole Lehmann, der vielseitige Kai Spitzel, der "Neues-aus-der-Anstalt"-Nachfolger Claus von Wagner, die Lehrerkinder David Werker und Bastian Bielendorfer, die Bayerin Monika Gruber, der Gelsenkirchener HG. Butzko, der poetische Bodo Wartke, das schnoddrige Verbalgenie Oliver Kalkofe, der lebenslustige Lebemann und Genießer Jürgen von der Lippe, der singende Bernd Stelter, der versponnene Philipp Weber, der wandlungsfähige Hape Kerkeling, der FDP-Fan Wigald Boning, der freche Oliver Pocher, der Frauenheld Atze Schröder, die Deutschtürken Django Azül und Fatih Cevikoğlu, der blonde Guido Cantz, der feingeistige Max Uthoff, der Militärexperte Georg Schramm, die Berliner Schnauze Kurt Krömer, die vollmundige Christine Prayon, der Ruhrpottarzt Dr. Stratmann, der beeindruckende Christoph Sieber, der Sprech-D-Zug Winfried Schmickler, der schnoddrige Richard Rogler, der Kölner Jürgen Becker, der verwandlungsfähige Olli Dittrich, der Bochumer Frank Goosen, der kuriose Sebastian Pufpaff, der Hesse Bodo Bach, das Beckenbauer-Double Matze Knop, der verkniffene Jürgen von Manger, der Schauspieler Rick Kavanian, der abgefahrene und skurrile Michael Mittermeier, der Physiker Vince Eber, das Ruhrpotturgestein Herbert Knebel, der Rheinländer Konrad Beikircher, der spitzzüngige Jochen Busse, der "heute-show"-Comedian Christian Ehring und viele andere Beiträger in selbiger Show oder bei "extra3", der geniale Bernhard Hoecker, der Wiener Josef Hader, der schrullige Philipp Weber, der Afrikaner Dave Davis, die Ex-Misfits Comedydame Gerburg Jahnke, und viele andere mehr, deren Verdienste um den Humor in Deutschland unermesslich sind. In der Vergangenheit gab es da auch noch Elisabeth Volkmann, Helga Feddersen, Iris Berben und Ingrid Steeger, Beatrice Richter und Rudi Carell, aber auch Harald Juhnke und Grit Boettcher, die als Ulknudeln neben Dieter Krebs oder Dieter Hallervorden auftraten und die Nation vor Lachen in die Knie zwangen. Ganz zu schweigen von Evelyn Hamann mit dem mindestens ebenso genialen Loriot. Und bald dürfen wir laut Presseberichten auch den ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück als Comedy-Talent bestaunen.

Dass viele von diesen Stars und Sternchen so wie jeder Mensch auch ihre Familien- und Schultraumata aufzuarbeiten hatten und bisweilen deshalb ins Skurrile, Spöttische oder Sarkastische flüchteten oder einfach nur auswichen, scheint in vielen ihrer Sketche und Auftritte durch. Denn letztendlich ist auch Humor nichts anderes als eine der Spielarten, mit denen Menschen versuchen, Rachegefühle auszuleben. Vor allem im politischen Karneval kommt das oft brilliant zum Ausdruck, wo mit Gags und Scherzen über die Faux pas und so manche dummen Äußerungen der Politiker im Nachgang nochmal "reiner Wein eingeschenkt" wird. Solange Menschen glauben wollen, dass Rache notwendig bzw. unvermeidlich ist, um Missstände aufzuzeigen oder eben zum Stillstand zu bringen, solange werden wir noch viel zu lachen haben.

Vermutlich gibt es kein Land der Welt, das so viele Comedians, Kabarettisten, Satiriker, Parodisten und Komiker hervorgebracht hat, aber vielleicht auch keines, das so viele davon nötig hat.